post von wilhelmine

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Bio

Akku leer. Und das mitten im Wald. Was nach einem Moment klingt, der bei den meisten ein gewisses Unbehagen auslösen würde, wird für Wilhelmine zu einem wegweisenden Augenblick. Denn genau diesen Moment nutzt sie, um innezuhalten. Die Augen zu schließen und mit allen Sinnen wahrzunehmen, wo sie gelandet ist. Umringt von hohen Bäumen, deren Kronen bis in den Himmel reichen. Die nebeneinander fest verwurzelt in der Erde stehen und sich sanft im Wind wiegen.

Dabei wird ihr klar: Das hier fühlt sich richtig an. Inspiriert schreibt Wilhelmine ein Gedicht: „Wie die Bäume hier in diesem Wald / Möcht‘ ich etwas, das wirklich bleibt / Mit festem Stand und ‘ner Familie / frischer Luft und immer Liebe hier“. An einem Ort, der dieses Empfinden in ihr auslöst, will sie bleiben. Dafür, das merkt sie, muss sich eine bedeutende Sache ändern: „Ich will nie wieder wegrennen. Vor nichts und vor keinem.“ Dass dieses Versprechen an sich selbst einmal Teil eines Refrains werden wird – von einem Song, mit dem Wilhelmine ein neues Kapitel aufschlägt – weiß sie zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht. Aber die Gedanken lassen sie nicht los. Noch am gleichen Abend greift sie zur Gitarre und entwickelt ihr Gedicht zu einer Songskizze weiter.

Grund zum Wegrennen gab es in Wilhelmines Leben oft genug. Wer die Künstlerin, die im Wendland und in einem besetzten Haus in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen ist, schon etwas länger verfolgt, weiß um ihre Geschichte. Kennt aus ihren Songs die Herausforderungen, denen sie sich stellen musste. Viele Umbrüche gab es da, ihr Coming Out, wechselnde Bezugspersonen, unzählige Umzüge – eben oft ein Sich-Entwurzelt-Fühlen. Etliche ihrer Fans haben Ähnliches erlebt und kennen die Empfindungen, über die Wilhelmine so kraftvoll und mutig singt. Ihre Geschichten sind die von anderen aus der LGBTQIA+-Community und darüber hinaus. Kein Wunder, dass Wilhelmine mit Songs wie ihrem Debüt „meine Liebe“ (2019) direkt in Herzen trifft und mit „Eins sein“ (2022) für so viele spricht, dass er zum viralen Hit wird.

Ja, Wilhelmine hat einiges durchgemacht, kommt durch „Gezeiten“. Und merkt deshalb auch, was sie jetzt will: Keine Umzüge. Keine harten Trennungen. Keine leeren Worte. Etwas, das wirklich bleibt. Ein Ort, der zu jeder Zeit sicher ist, an dem man Wurzeln schlagen kann. Mit „Nie wieder wegrennen“ gelingt es ihr, eine ganz persönliche Story zu erzählen, in der sich erneut andere wiederfinden. Für alle, die sich nie so wirklich einer Familie zugehörig gefühlt haben, soll dieser Song ein Empowerment sein: „Ich glaube, Menschen mit ähnlichen Geschichten wie meiner müssen erst mal schauen, wann sie vertrauen können. Ich hab‘ schon oft erlebt, dass das, worauf ich mich verlassen habe, plötzlich weg war. Das löst auf jeden Fall einen Fluchtreflex aus. Und auf diesen Fluchtreflex möchte ich nicht mehr reagieren. Keinen Bock mehr. Es ist einfach zu anstrengend.“

Als sie ihre Songskizze den Produzenten Jules Kalmbacher und Jens Schneider vorspielt, sind die direkt begeistert von Wilhelmines Vergleich ihrer Suche mit dem Zusammenhalt in der Natur. Innerhalb kurzer Zeit entsteht daraus „Nie wieder wegrennen“. Schon bei den ersten Zeilen des Songs möchte man die Anlage aufdrehen und lauthals mitsingen. Denn nicht nur inhaltlich hat sich Wilhelmine weiterentwickelt: „Dieser Song ist so tanzbar und so fühlbar. Er könnte fast ein Remix von einem meiner Songs sein. Es ist so erfrischend und ganz neu, weil ich so was bisher noch nie gemacht habe.“

Wilhelmine hat sich weiterentwickelt, das zeigt sich auch in den Visuals, die die neue Single begleiten. Sie wirkt noch klarer und, falls das überhaupt möglich ist, noch ehrlicher. Mehr als ein halbes Jahr ist vergangen, seit ihr Debütalbum „Wind“ erschienen und direkt auf #10 der Charts eingestiegen ist. Drei Touren hat sie gespielt im vergangenen Jahr, mit größtenteils ausverkauften Shows. Ihre erste eigene Headline-Tour mit Band rund um den Release zählt für sie, neben Auftritten beim CSD in Berlin und Köln, zu Momenten, die sie nicht mehr vergessen wird. Ihre Community fühlt sich ihr dabei mehr verbunden als je zuvor. Nicht zuletzt deshalb ist Wilhelmine eine wichtige musikalische Botschafterin, ob als Deutschpop-Poetin in Kooperation mit Apple Music zum Internationalen Frauentag oder als Vertreterin der Amazon Music Kampagne zum Pride Month.

Vieles in Wilhelmines Leben und ihrer Karriere ist in Bewegung. Das ist gut so. Aber da ist nun auch eine neue Sehnsucht nach Sicherheit und Beständigkeit. Stellt sich nur die Frage: Wo findet man die? „Den sicheren Ort, den ich mir vermeintlich in der Ferne erhofft habe – den kann ich durch ein paar Skills auch in mir selbst finden“, unterstreicht Wilhelmine im Refrain. Der handelt nämlich nicht nur davon, dass sie nicht mehr wegrennen will. Sie stellt darin auch selbstbewusst klar: „Ich schaff‘ das alleine / Denn ich hab’s selbst in der Hand!“

„Und es kann schon sein, dass ich nochmal ein wenig wegrenne“, erzählt Wilhelmine. „Aber nicht mehr so groß und dramatisch, sondern immer nur klein und auch angekündigt.“ Denn klar, auch an solch einem Ort schwankt ab und an das Wetter. Aber mit einer festen, sicheren Basis, umgeben von anderen – da würde sich das gut aushalten lassen.